Drama-Dreieck leicht verstehen
Keine Lust auf Drama in Deinem (Berufs-)Leben? Dann lies weiter!
Mit dem Drama-Dreieck kann man zwischenmenschliche Beziehungen und Dynamiken besser verstehen und im nächsten Schritt auch aktiv gestalten. Es kann verwendet werden, um die Rollen zu identifizieren, die Menschen in Konfliktsituationen „spielen“.
Die Rollen im Drama-Dreieck
Die drei Rollen des Dramadreiecks sind Opfer, Täter und Retter. Jede Rolle hat bestimmte Merkmale und Verhaltensweisen, die im Folgenden erläutert werden. Wichtig ist, dass jeder von uns mehr oder weniger starke Neigungen hat, (unter Stress) in einer der drei Rollen zu rutschen. Wir haben sozusagen unsere Lieblingsrolle.
Das Opfer im Drama-Dreieck
Das Opfer im Dramadreieck ist eine Person, die sich in einer Situation machtlos und hilflos fühlt. Sie haben oft das Gefühl, dass sie ausgenutzt werden oder dass sie keine Kontrolle über die Umstände haben. Opfer können passiv-aggressiv sein, andere für ihre Probleme verantwortlich machen oder das Gefühl haben, dass sie immer derjenige sind, der verletzt wird. Sie können auch übermäßig abhängig von anderen sein, um Bestätigung und Unterstützung zu erhalten.
Der Täter im Drama-Dreieck
Täter (oder auch: Verfolger) sind Menschen, die durch ihre Taten/Worte Unbehagen in anderen auslösen. Aus sprachlicher Perspektive ist jede bewertende Aussage ein Täter-Akt („Heute Morgen haben Sie Ihren Kopf aber nicht beisammen.“) Uns allen rutschen solche Aussagen schon mal raus, damit werden wir natürlich nicht gleich zum Täter. Wir alle kennen aber auch Menschen, die sehr viel bewerten, die zu allem und jedem ihre Meinung sagen und sich die Gegenseite gar nicht erst anhören. Dann spricht man von einem hohen Drama-Potenzial (hier für die Rolle des Täters).
Der Retter im Drama-Dreieck
Die Retter sind Menschen, die gerne dem Opfer helfen möchten, die einen Beitrag zur Lösung der Situation leisten wollen. Dummerweise führen viele dieser Rettungsversuche dazu, dass das Drama nur noch schlimmer wird. Menschen, die eine Tendenz zur Retterrolle haben, findet man oft auch in helfenden Berufen. Dort sind sie per Arbeitsplatzbeschreibung zum Helfen verpflichtet. Es gibt aber jene feine Grenze zwischen aufopferungsvollem Retten und einer Unterstützung, bei der man sich selbst und die Dynamik des Systems im Auge behält. Das Überschreiten dieser Grenzlinie zeigt sich oft durch ein ungutes Gefühl im Magen.
Drama-Dreieck Beispiele
Drama-Dreieck auf der Arbeit
Petra und Angela sind beste Freundinnen. Sie arbeiten in gleicher Position in einem kleinen Team im Lebensmittel-Handel als Mitarbeitende. Ihr Chef ist eine schwierige Persönlichkeit, aber zusammen können sie den Widrigkeiten trotzen. Eines Tages erhält Petra das Angebot die Teamleitung einer Nachbarabteilung zu übernehmen. Sie zögert nicht lange, weil das schon immer ihr Traum war in Führungsverantwortung zu gehen. Mit dem Weggang von Petra wird es für Angela immer schwieriger mit ihrem Chef klarzukommen. Ohne die Unterstützung ihrer besten Freundin fühlt sie sich zunehmend schutzlos ausgeliefert. Eines Abends, als ihr Chef wieder besonders schickanierend war, klagt sie ihrer besten Freundin ihr Leid. Das hat sie schon viele Male zuvor gemacht, aber diesmal geht sie noch einen Schritt weiter und bittet sie um konkrete Hilfe: „Kannst Du nicht mal mit Herrn Weigel sprechen? Es wird einfach immer schlimmer mit ihm. Du weißt ja, wie es mit ihm ist. Du bist doch auf seiner Hierarchieebene, Dich wird er ernst nehmen. Bitte, Du bist meine letzte Rettung. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll! Du bist doch meine besten Freundin!“
Dieses Beispiel ist genau so in einem unserer Führungskräfteworkshops erläutert worden (mit anderen Namen versteht sich). Und ebenjene beste Freundin und neue Teamleiterin wusste nicht, wie sie jetzt reagieren sollte. Ihrer Freundin nicht zu helfen fühlte sich falsch an, mit dem Teamleiterkollegen zu reden aber ebenso. Und dann haben wir den Fall im Seminar analysiert:
Angela ist hier ganz offensichtlich das Opfer, Herr Weigel der Täter und Petra sollte retten. Die dringliche Bitte zu helfen nennt man eine Dramaeinladung. Damit wird jemand eingeladen am Drama teilzunehmen. Geht man darauf ein, wird aus der usprünglich positiven Absicht oft das viel größere Drama.
Wir haben dann mal durchgespielt, was passieren könnte, wenn sie dem Wunsch ihrer Freundin folgt:
Angela: „Herr Weigel, haben Sie mal einen Moment. Sie wissen ja, dass ich mit Angela ganz gut befreundet bin und sie hat mir gesagt, dass sie die Situation mit Ihnen nicht immer ganz einfach findet. Vielleicht können Sie ja mal schauen, mit ihr etwas freundlicher umzugehen.“
Herr Weigel: „Was erlauben Sie sich eigentlich? Sie wissen doch gar nicht, was wirklich passiert ist. Keine Ahnung, was man Ihnen erzählt hat. Und überhaupt: Kümmern Sie sich mal um Ihr eigenes Team. Da hört man ja so Einiges.“
Und dann nimmt das Drama seinen Lauf: Herr Weigel ist sauer, er fühlt sich als Opfer und sieht sowohl Petra als auch Angela als Täterinnen – die eine hat Internas ausgeplaudert und ihn angeschwärzt und die andere hat sich in Sachen eingemischt, die sie nichts angehen. Er entschließt, es Angela spüren zu lassen, wie er das findet. Und auch Petra würdigt er von da an keines Blickes mehr. Angela erlebt in den nächsten Tagen die schwierigste Zeit mit ihrem Chef seit Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit. Sie wird also noch mehr zum Opfer. Damit konfrontiert sie dann ihre beste Freundin: „Was hast Du ihm nur gesagt, jetzt ist alles schlimmer als je zuvor. Was bist Du nur für eine Freundin. Du verstehst sicher, dass ich jetzt erstmal Abstand brauche, um nachzudenken.“ Petra ist fassungslos, sie meinte es doch nur gut und jetzt ist sie selbst das Opfer und Angela und Herr Weigel sind die Täter. Was für ein Drama!
Drama-Dreieck in der Bahn
Manchmal überraschen einen Drama-Dynamiken während einer Zugfahrt. Im ICE nach München kontrollierte ein Zugbegleiter die Tickets der Mitreisenden. Er war gut aufgelegt, machte seine Witzchen während der Ticketkontrolle und strahlte die typische Souveränität eines erfahrenen Bahn-Mitarbeiters aus (hier war er im freien Kind-Ich).
Doch dann veränderte sich seine Stimmung. Wenige Sitzreihen weiter vorn konnte ein Mann, der nicht fließend, aber dennoch gut verständlich Deutsch sprach, sein Ticket nicht vorweisen. Er hatte lediglich das Foto eines Bahntickets dabei. Das war dem Schaffner zu wenig. Er verlangte nach einem Ticket oder einem Personalausweis und sei nicht bereit zu diskutieren (hier wechselt er ins kritische Eltern-Ich). Die mehrmaligen Versuche des Fahrgastes seine Situation zu erklären (Erwachsenen-Ich), wurden vom Zugbegleiter immer sofort mit Wortabschneiden unterbrochen. Keine Diskussion – Ticket oder Personalausweis! Der sichtlich verunsicherte Fahrgast wollte nun jemanden anrufen, der die Situation erläutern könnte – doch der Zugbegleiter blieb unbeirrbar hart – Telefonjoker brauche er nicht, sondern ein Ticket oder den Personalausweis. Als der Fahrgast seinen Personalausweis nicht vorzeigen wollte (trotziges Kind-Ich), drohte der Schaffner mit der Polizei. Dann ging er wutschnaubend davon, kam wenige Momente später wieder und sagte laut: „Ich fordere Sie hiermit letztmalig auf, mir Ihren Personalausweis zu zeigen.“ Als der Fahrgast ihm das weiterhin verweigerte, dampfte er wieder von dannen. Und dann passierte lange nichts, außer dass der Fahrgast mit verschiedenen Personen telefonierte.
An der nächsten Station kam dann die Bundespolizei hinzu und jetzt wurde erstmals zugehört (Erwachsenen-Ich): seine Firma hatte ein Ticket für ihn und einen Kollegen zusammen gebucht. Leider hatte er seinen Zug verpasst, so dass der Kollege allein vorgefahren war und ihm ein Foto des gemeinsamen Tickets per WhatsApp geschickt hatte. Er dachte, dass würde reichen. Dieser Meinung war der Zugbegleiter weiterhin nicht. Jetzt war endlich die Faktenlage auf dem Tisch und man hätte im Erwachsenen-Ich vielleicht kulante Lösungen finden können, aber der Zugbegleiter blieb weiterhin in seinem trotzigen Kind-Ich stecken „Der muss jetzt so oder so aussteigen.“ und die Polizisten hatten in Ihrem Erwachsenen-ich auch keine weitere Handhabe, als den Fahrgast mit nach draußen zu nehmen.
Diese Situation zeigt deutlich, wie schnell ein Drama entstehen kann. Eben noch war alles normal und im nächsten Moment entstehen Täter und Opfer. Die Retter-Rolle blieb in dieser Situation unbesetzt (auch wenn ich kurz davor war, mich vermittelnd einzuschalten). Aber zum Glück haben die Polizisten sich nicht ins Drama hineinziehen lassen, sondern nüchtern die Situation analysiert und die Klärung dann außerhalb des Zuges fortgesetzt haben. Das war dann zwar wirklich ärgerlich für den Bahnreisenden, weil er mit einem späteren Zug weiterfahren musste, aber eben kein Drama mehr.
Aus dem Drama-Dreieck aussteigen – wie es geleingt
Der beste Tipp ist, erst gar nicht ins Drama einzusteigen. Große Dramen brauchen Zeit, um sich zu entwickeln und es gibt immer wieder Möglichkeiten auszusteigen, selbst wenn man schon Teil des Drama-Dreiecks ist.
Was heißt das konkret für unseren Fall?
Petra kann Angela Empathie geben für ihre Situation, kann für sie als Freundin da sein und zuhören. Und gleichzeitig sollte sie klar machen, dass die vorgeschlagene Lieblingslösung keine Option ist und zur Veranschaulichung einmal mit ihr die möglichen Konsequenzen durchspielen. So sollte auch Angela klar werden, dass diese Intervention zu riskant ist. Im nächsten Schritt könnten Sie gemeinsam überlegen, welche anderen Optionen es gäbe, z.B. ein erstes sondierendes und vetrauliches Gespräch mit dem Betriebsrat zu führen. Letztendlich muss aber klar sein. Angela ist die Problembesitzerin und muss selbst die (Mit-)Verantwortung für eine Lösung finden.
Wer hat das Drama-Dreieck erfunden?
Das Drama-Dreieck wurde von Stephen Karpman in den 1960er Jahren entwickelt.